Quelle: Weiterbildungsblog
Autor: jrobes
Lesen, Bildung und Lernen gehören (zumindest für mich) untrennbar zusammen. Deshalb habe ich mir einen kleinen Ausflug zum Merkur gegönnt, in dessen aktueller Ausgabe Gerhard Lauer suchend, aber wortreich den Strukturwandel der literarischen Öffentlichkeit beschreibt. Hier sein Einstieg:
„Die Frankfurter Buchmesse hat 2024 die mehr als 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche umfassende Eingangshalle 1.2 für eine Literatur reserviert, von der selbst in der Buchbranche viele bislang nicht so genau wussten, was das ist: Young Adult, New Adult, Romantasy, Sport Romance, Dark College. Die Verlage heißen hier Drachenmond und Sternensand, Wondaversum, Federherz oder Bücherbüchse, die Einbände sind gern in Gold, Blau oder Rosa gehalten, die Autorinnen sind jung und waren bis vor kurzem unbekannt, wie Sarah Sprinz oder Mona Kasten. Und sie reden viel über »tropes« und »shipping«. Über den jüngsten Regency-Trend oder Schulungen in »spicy« Schreiben wussten bis dahin eher Modezeitschriften, aber kaum ein Feuilleton Bescheid. Mit der Entscheidung, diesem sehr speziellen Segment so viel und zugleich einen derart prominenten Platz einzuräumen, folgte die Messeleitung keinen genuin literarischen, sondern letztlich ganz prosaischen Kalkülen. Sie reagierte damit zeitverzögert auf die Überfüllung der deutlich kleineren Halle 3 im Jahr zuvor, als Hunderte Fans stundenlang anstanden, um ein limitiertes Farbschnittexemplar zu kaufen, eine Lesung zu hören, Selfies mit den Stars aufzunehmen und Autogramme zu sammeln.“
Weiter ist die Rede von der „neuen literarischen Öffentlichkeit“ und von einer „Popindustrialisierung der Buchkultur“. Gerhard Lauer schreibt: „In dieser höchst lebendigen Bookishness-Öffentlichkeit scheinen nicht Argumente und Diskurse, sondern Gefühle sehr viel, manchmal fast alles zu sein.“ Und: „Was einst literarische Salons waren, ist jetzt BookTok.“ Diese neue, vor allem von jungen Leserinnen geprägte Öffentlichkeit ist fest mit den Möglichkeiten der digitalen Gesellschaft verbunden, sie ist dynamisch, offen, unübersichtlich und widersprüchlich.
Gerhard Lauer, Merkur, Heft 910, März 2025